Was willst du?
Ich will dir ein paar Fragen stellen.
Dann komm rein Lisa, du bist immer willkommen. Schliesslich gibt es keine Mauer zwischen uns.
Lisa lächelte gequält und folgte dem alten Hull, dessen hagere Gestalt sie nicht aus den Augen verlor. Am Spieltisch angekommen sagte Hull: Mach’s dir bequem. Ich bring dir gleich deinen Kaffee.
Ich möchte heute keinen Kaffee, Hull. Whisky wär‘ mir lieber.
Okay. Hull liess sich wie immer seine Überraschung nicht anmerken. Ecco, dein Whisky.
Danke, Hull.
Also, was liegt an?
Ich muss dich warnen, Hull, und zwar, du wirst es mir nicht glauben, vor meinem Bruder. Luca spielt ein falsches Spiel.
Hm, das war aber keine Frage, Lisa. Du hast gesagt…
Vergiss es. Ein Scherz, ein Zitat als Türöffner.
Aha, okay. Luca, spielt falsch, inwiefern?
Nun, er versucht dich auszuspionieren. Vordergründig kommt er als guter Freund, als Kumpel, der jeden Schwachsinn mitmacht – aber eigentlich geht es ihm um etwas ganz anderes.
Lisa. Luca ist seit Jahren mein Kumpel, wie du sagst. Er kommt beinahe täglich zu Besuch. Wir hecken zusammen immer wieder die grossartigsten Projekte aus. Wie könnte er je etwas beabsichtigen, ich meine, etwas, das mir schaden könnte?
Hm, ich muss es dir leider sagen. Luca versucht nichts anderes als das perfekte Drehbuch für seine insgeheim geplante Fernsehserie zu klauen, weil er’s selber absolut nicht auf die Reihe bringt. Als du gestern vom „smarten Drehbuch“ gesprochen hast, da ist er fast ausgeflippt. Den ganzen Abend hat er von nichts anderem mehr gesprochen. Er sagte: Wenn ich dieses Drehbuch finde, wenn ich Hulls Drehbuch kralle, dann gelingt mir der Durchbruch. Er war wie von Sinnen.
Hull liess sich auch jetzt nichts anmerken. Was dachte er? Wie würde er reagieren? Hatte er vielleicht sogar schon einen Plan, wie er sich an Luca rächen würde? Lisa tappte völlig im Dunkeln. Er sagte lediglich:
Er wird schon wissen, was er sucht.
Okay, ich habe dich gewarnt, Hull. Glaub‘ mir, Luca schreckt vor nichts zurück. Er lügt, sobald er den Mund aufmacht.
Lisa, wir lügen alle, den ganzen Tag Dutzende Male. Die Kunst ist es, den andern im Glauben zu lassen, er sei bei seiner Lüge nicht ertappt worden.
Warum das denn? Einen Lügner muss man konfrontieren, zur Räson bringen.
Nein, keinesfalls. Oder sagen wir nur ganz ausnahmsweise. Man muss nur selber zurücklügen und zwar ganz liebenswürdig, so dass keiner Verdacht schöpft, beziehungsweise, denen die solchen schöpfen, gleich die wunderbare Gelegenheit geben, ebenfalls so zu tun, als ob alles in Butter wäre. Denn wer aus diesem Theater ausschert, verliert nur seine Freunde und noch einiges mehr.
Nun, wenn wir das alle wirklich tun würden, dann wären wir eine einzige Gesellschaft von – ich wollte schon Replikanten sagen, huch, nein, von lauter Verrätern und Heuchlern, nicht wahr?
Lisa, das sind wir! Genau das sind wir.