Schau nur, er kommt zu sich.
Tatsächlich. Bin ich froh….
Als Hull die Augen langsam, wirklich sehr langsam öffnete, sah er, noch etwas verschwommen zwar – wie das halt so ist nach solch dramatischen Vorfällen – Lisas und Lucas Gesichter vor seiner Nase. Sie lächelten ihn scheinbar froh gelaunt an. Das kam ihm schon reichlich merkwürdig, um nicht zu sagen, sehr seltsam vor.
Wo bin ich?
Lisa und Luca wechselten kurze Blicke. Dann war es Luca, der zuerst reagierte: Hull, du bist, sagen wir mal, in einem Krankenhaus.
Hull merkte, dass er tatsächlich in einem Krankenhausbett lag und die beiden Geschwister sich der eine von links, die andere von rechts über ihn beugten.
Warum…?
Du hast dich, sagen wir mal, ein bisschen überarbeitet und dann ja, war das so was – wie ein, ähm Kollaps. Dein Körper hat gestreikt. Ich meine dein Geist, der wäre noch lange…
…Luca. Lass mal. Hull will das sicher nicht so im Detail…
…und ob ich das im Detail…
…wissen.
Also. Jedenfalls. Lass es mich mal so sagen, du brauchst jetzt Erholung.
Hm. Ich kann mich an nichts erinnern.
An nichts?
Na, an –, ich meine, schon. Aber wie ich hierher gekommen bin. Was unmittelbar zuvor geschehen ist. Da ist ein Loch.
Ja, da war ein Loch. Hull. Hauptsache du bist jetzt hier in guten Händen.
So, bin ich das?
Soweit ich das sehe. Lisa, wie siehst du das?
Absolut. In guten Händen. Das Personal hier in der Ner… dem Krankenhaus ist klasse. Mit Auszeichnung. Du weisst schon, Qualitätsmanagement. Lisa lachte tapfer. Ähm, Hull, hast du Schmerzen?
Schmerzen? Nein. Davon müsste ich doch wissen.
Gut, das ist gut.
Ah. Wie lange bin ich denn schon hier?
Hm, naja, sagen wir mal…
Luca, was für eine Sprachverstelzung hast du dir da angewöhnt: Sagen wir mal, lass es mich mal so sagen…
…Ja, das kommt vom Rhetorikseminar. Tolle Sache, sag ich dir. Und dort hat man mich darauf hingewiesen, nicht immer gleich mit der Tür ins Haus zu fliegen. Ein paar vorbereitende, gut getimte und gewählte Worte, lassen doch die Beiträge im Wert gleich um einiges mehr Wert, äh, du weisst schon, Hull.
Also.
Also?
Herrschaft! Ich will das jetzt wissen. Wie lange bin ich hier?!
Eben, in gewisser Weise… schon etwas länger. Länger als man gemeinhin so annehmen würde.
Was Luca sagen möchte, Hull, also du hast doch eine schöne Weile hier im – äh, im Koma gelegen.
Im Koma? Davon hab ich ja gar nichts mitbekommen.
Wahrscheinlich ist das so, ja.
Wie lange? Welches Datum haben wir?
Hull, ähm, du warst, sage und schreibe fünf Jahre im Koma.
…
Das ist eine Menge Zeit. Und da musst du dich ja erstmal…
Hull bemerkte erst jetzt die ganzen Apparate, Bildschirme und Schläuche um sich herum, die Infusionsnadel auf seinem Handrücken, die Infusionsbeutel am Infusionsständer neben dem Bett, Katheter und Urinbeutel…
Aber was ist denn geschehen? Von wegen Kollaps. Wenn ich verdammte fünf Jahre…
…Hull, Hull, du sollst dich nicht so aufregen. Schonung, ist das Gebot der Stunde.
Stunde? Ich will hier sofort einen Arzt… was sag‘ ich, ich will den Chefarzt sprechen.
Okay, Hull, machen wir. Drück da auf den Knopf, dann kommt er.
Hull drückte, wie ihm geheissen.
Nach nur 28 Sekunden, und dieses irre Tempo war ja eines der von Lisa so hervorgehobenen Qualitätsmerkmale dieser Nervenheilanstalt, ging bereits die Tür auf. Schwester Ceyda schlurfte herein. Was gibt’s? Oh, der Herr Hull ist aufgewacht. Klasse. Sie haben aber auch genug geschlafen.
Ähm, wir denken, lassen Sie mich das mal so sagen, wir meinen, dass die Tranquilizer zu wenig wirken. Vielleicht sollte man noch etwas… ähm, Haldol rein mischen. Oder, Schwester…?
…Ceyda.
Ceyda.
Haldol?
Hm?
Ich frag‘ gleich den Oberarzt. Erstmal Blutdruck, Fieber, etc… Also ihr beiden, die Besuchszeit, so würde ich das mal sagen, die ist jetzt um.