Stirb schnell

Der Morgen begann vielversprechend. Hull ging wie üblich in die Küche. Eigentlich wollte er nachschauen, was sein Kühlschrank noch hergab, um sich ein kleines Frühstück zu zimmern. Doch schon nach wenigen Schritten blieb er stehen. Irgendwie sah er heute Morgen mehr oder anderes als gewöhnlich, oder was auch immer. Er dachte: Hier sieht’s aus, als wenn jemand seinen Wolfshybriden in der Küche eingesperrt hätte, um kurz mal einkaufen zu gehen. Klar, der Abwasch war auch fällig, aber das war’s nicht. Hier musste eindeutig renoviert werden, der Putz fiel von Decke und Wänden, die Küchenmöbel brachen auseinander.

Hm, dann eben nicht. Hunger hab ich eh nicht. Hull schlurfte den Flur entlang, um sein Wohnzimmer zu betreten. Wohnzimmer? Was für ein Unwort. Quatsch. Dieser Raum war überdimensional. Sprach man nicht von einem Labor? Hull nannte es lieber ganz bescheiden sein Spielzimmer. Hier war sie jedenfalls wieder, die Welt. Seine Welt.

Viel mehr braucht’s nicht, um sich immer wieder etwas vorzumachen.

Luca würde gleich kommen. Natürlich hatten die beiden Klärungsbedarf. Nach dieser langen Weile.

Es klingelte, undsoweiter.

Stell mal die Musik leiser.

Welche Musik?

Hörst du nicht?

Nein.

Okay. Was ich sagen wollte. Also fragen wollte. Hull.

Ja?

Warum veröffentlichst du jetzt diese alten Sachen, die Tom vor bald zehn Jahren geschrieben hat?

Hm, ich war zu faul für neue Zeilen und Tom? Tom schreibt zurzeit nicht.

Warum nicht?

Er sagt, er wisse nicht, wozu sich überhaupt noch mit der Gegenwart abmühen.

Mit der Gegenwart abmühen? Spinnt der? Der soll unsern Plot liefern. Den Plot, den wir brauchen.

Brauchen wir ihn wirklich, Luca? Du kannst doch auch ohne diese Leitplanken herumlaufen.

Herumlaufen, ja. Ich will aber nicht herumlaufen.

Du willst nicht herumlaufen? Aber was dann? Was willst du denn?

Ich will Erfolg. Ich will… zum Beispiel mit Bruce Willis sprechen.

Du willst…

Ich bin hier, was willst du mir mitteilen, mein Freund? Bruce sass im alten Sessel neben dem Spieltisch und blickte, wie Bruce Willis blickt.

Bruce…? Ich fass es nicht! Du bist hier?!

Warum nicht, mein Kleiner. Sag schon, was liegt an. Viel Zeit hab ich nicht.

Hull folgte der Szene ganz entspannt und begann seine Espressomaschine zu bearbeiten. Kaffee, die Herren?

Jetzt nicht, danke Hull.

Für mich schon, einen doppelten mit Zucker. Sie sind Hull? Der legendäre Kartentrickser? Bruce grinste breit.

Ja, schon, aber…

Bruce, wenn ich fragen darf. Dürfte! Was, was, was macht es aus. Was macht den Unterschied. Ich meine, was ich fragen wollte, was ist Ihr Geheimnis, Bruce? Wie machen Sie das.

Was? Wie mach ich – was, Junge?

Genau das. Was Sie sagen. Wie Sie wirken, wer Sie sind. Warum funktioniert das. Und… und… zum Beispiel bei mir nich…?

Bruce grinste. Du willst das Geheimnis wissen?

Jaha!

Dann wirst du es nie erfahren. Man kann das Geheimnis nicht wissen.

Wie, was, worauf wollen Sie hinaus?

Erfolg, mein Kleiner. Erfolg, das lebt man einfach. Entweder man hat’s drauf oder dann kannst du’s vergessen. Du kannst es nicht üben, nicht lernen, nicht kopieren. Du musst es einfach schon haben. Kapiert? Schon als kleiner Knirps, wenn du noch in die Windeln machst, merkst du in deinem Innern, entweder du wirst was oder du wirst nichts.

Dann schwieg er. Hull nickte anerkennend. Ein Hologramm? Toll gemacht. Wer hat das installiert? Du, Luca?

Ähäh, was…?

2 Kommentare zu „Stirb schnell

  1. Ja klar, so gehts mit der Küche auch. Hoffentlich erleidet der, oder die Frösche nicht das gleiche Schicksal, also bitte weder schnell noch langsam.

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    1. Lieber Bär
      Weder schnell noch langsam – mhm, da muss ich drüber nachdenken. Frösche, also? Ja, gut, die Metapher mit dem Wolfshybriden war wohl etwas heftig. Frösche quaken eher friedlich vor sich hin. Aber ich glaube nicht, dass Frösche den Gang in die Küche zu schätzen wüssten.
      LG Hull

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