Kein Klo im Klub

In der Halle tanzten wohl an die fünfhundert Leute ausgelassen zum angesagten Clubsound der Saison. Es klang wie das eintönige Mahlen eines Betonmischers, dem rhythmisches Stampfen mehrerer Automobilroboter unterlegt worden ist. Hier im fahlgrauen Scheinwerferlicht fühlte sich Fletcher wieder sicher. Das einzige, was er in diesem Club wirklich vermisste, war eine Bar, um sich einige Whiskys zu genehmigen. Natürlich wusste er, hier wäre eine Bar absolut zweckfrei, deshalb suchte er auch gar nicht danach.

Verrückt, wie natürlich und sinnlich diese Wesen sich vor seinen Augen bewegten. Er konnte sich noch gut an die Zeit der ersten tapsigen Schritte erinnern, da war von Tanzen noch keine Rede. Es ging einfach nur darum, die Dinger – ja damals waren es noch Dinger – auf den Beinen zu halten und sie ein paar sehr vorsichtige Schritte machen zu lassen. Heute konnte man sie kaum mehr von Menschen unterscheiden. Fletcher war gerade drauf und dran, sich auf die Tanzfläche mitten unters androide Volk zu mischen, als er von einem putzigen Kerlchen in grellem Freizeitlook angesprochen wurde.

Sie, Sie sind doch gar kein Androide, stimmt’s, Sir?

Zugegeben. Wollen Sie mich jetzt verhaften? lachte Fletcher unsicher.

Darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Buzzi, Security. Wie sind Sie hier hereingekommen?

Bestechung. Fletcher lachte immer noch, doch sein Gesicht glich eher einer debilen Fratze.

So, Bestechung. Das wäre ein neues Phänomen. Habe noch nie gehört, dass ein Androide bestechlich wäre. Und Ihr Name, Sir?

Respini, sagte Fletcher, wohl weil ein ebenfalls auf i endender Name vielleicht ein bisschen Gemeinsamkeit suggerieren könnte.

Mr. Respini, wollen Sie mich jetzt bitte ins Freie begleiten?

Mr. Buzzi, muss das sein? Ich verspreche Ihnen, dass ich mich perfekt android zu benehmen gedenke. Ich werde weder saufen, rauchen, noch irgendwo in eine Ecke pissen, ich werde auch keine Frauen anbaggern. Niemand wird mich als menschliches Wesen verdächtigen. Alles, was ich möchte, ist, hier die nächsten Stunden in dieser tollen Atmosphäre rumzuhängen. Damit schade ich weder Ihrem Betrieb, noch Ihren Kunden. Bitte, Mr. Buzzi, drücken Sie doch mal ein Auge zu. Fletcher blinzelte Buzzi an.

Auf einmal waren beide abgelenkt. Ein Raunen, ein Oh! und Ah! ging durch die Menge, die einem einzelnen Tänzer Platz machte. Das Outfit des schwarzlockigen Helden war dem Original trefflich nachempfunden. Ungestümer Beifall mischte sich in den monotonen Betonmischerklang. Einander wildfremde Androiden umarmten sich leidenschaftlich.

Was war das, der läuft ein bisschen rückwärts, irgendwie? Und deshalb die ganze Aufregung? fragte Fletcher konsterniert.

Nein, Mr. Respini. Wir sind gerade eben Zeuge des ersten androiden Moonwalks geworden! Ist das nicht herrlich? Ein historischer Moment! Und dann gleich sieben Meter weit. Was für ein Tag für unsere Species. Ich will deshalb ausnahmsweise ein Auge zudrücken, wie Sie so schön sagten.

Und tut das auch noch. Seine symmetrischen Züge, faltenfrei aus Silikon geformt, strahlten nun einäugige Zufriedenheit aus.

Ich verstehe, dass Sie sich hier vor irgendjemandem verstecken wollen. Das soll mir egal sein. Aber bleiben Sie sauber, ich habe das andere Auge gänzlich auf Sie gerichtet. Buzzi lachte vergnügt. Seine Schaltkreise schienen ihm einen gelungenen Witz anzuzeigen.

Solange Sie mir keinen Terminator auf den Hals jagen, bleib ich friedlich, gab Fletcher zurück und tanzte mit der Menge bis in den frühen Morgen.

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