Vertrau auf dein Gefühl

Lucas Einwand auf Hulls unwiderstehliches Argument, der Mensch könne nichts anderes als eine in allen Belangen determinierte Maschine sein, war irgendwie – fies.

Was gehen mich Zufall und Notwendigkeit an? Das sind Begriffe für tote Materie. Ob ein Felsbrocken vom Berg stürzt, so was kannst du damit erklären, aber doch nicht mich. Ich plane meine Handlungen und dafür brauche ich mein Gehirn. Und dieses Hirn ist Werkzeug meines Geistes und der Geist ist frei. Hull, du hast in deinem genialen Entwurf ganz einfach die Freiheit vergessen!

Hull betrachtete seinen Freund durch seine dicken Brillengläser und man sah ihm nicht im Geringsten an, ob ihn Lucas Argument irgendwie berührte.

Nun, Luca, schau dir diesen Würfel hier an. Hull liess mit grosser Geste einen Würfel auf den Tisch kullern und der kam nach ein paar Zuckungen mit einer Vier zum Stillstand. Was, wenn dieser Würfel sagen würde: Mein Geist ermöglicht mir die herrliche Freiheit, dieses Ergebnis so zu planen. Ich wollte jetzt eine Vier und nichts anderes.

Hull, geht’s dir gut? Ein Würfel mit Geist…? Was für ein unmöglicher – Vergleich.

Wirklich? Nun, du behauptest einen Geist zu besitzen, der dir jegliche Freiheit jenseits von Zufall und Notwendigkeit beschert. Aber du setzt diesen kostbaren Besitz einfach als gegeben voraus. Etwas, was du eigentlich zuerst beweisen solltest. Wieso sollte ich dann nicht auch a priori davon ausgehen, dass der Würfel Geist besitzt? Zudem gibt es Philosophen, die der Auffassung sind, alles sei letztlich Geist, auch die unscheinbarsten Materiekrümel.

Hull, wie könntest du, wenn du nur eine determinierte Maschine wärst, überhaupt so ein Gespräch führen? Meine Argumente sind dir doch zum vornherein nicht bekannt. Da nützt kein Programm mit vorgefertigten Antworten. Nein, nein, du musst das Beste erst aus dir rauskitzeln, um mich zu überzeugen. So was kann nur ein freier Geist. Das erlebt man doch.

Das erlebt man?

Klar. Spürst du dein Denken etwa nicht? Wie du abwägst, Argument und Gegenargument und dann Entscheidungen triffst. Entscheidungen, Hull! Wie könnte eine Maschine entscheiden?

Ich sag nur: starke KI. Natürlich ist eine Maschine denkbar, die Entscheidungen genau so wie du trifft. Das ist nicht das Problem.

Sondern?

Nun, es könnten sowohl intelligente Maschinen als auch freie Menschen nebeneinander existieren. Der Punkt ist, ob entweder die Biologie als Ganzes oder aber speziell der Mensch eine Ausnahme in einer ansonsten determinierten Welt sein können oder müssen. Der Mensch als Ausnahme, das postulieren die Religionen, speziell das Christentum hat den Floh der Willensfreiheit in die Welt gesetzt.

Das Christentum?

Ja, der Christ ist frei, seinem Gott zu folgen oder in Sünde zu leben. Es ist seine Entscheidung. Diese These war verlockend und folglich eine zeitlang sehr erfolgreich. Somit ist scheinbar die freie geistige Welt geboren. Nun, ich kann nur empfehlen, zurück zu den Basics: Schau dir eine biologische Zelle an, ein Neuron im Gehirn zum Beispiel. Wie der Zellstoffwechsel, der Informationsfluss abläuft, das ist alles determiniert, dafür sorgt das Genom. Für die Zelle ist hingegen nicht vorhersehbar, wann und ob ein Informationsimpuls von draussen beziehungsweise von der Nachbarzelle kommt. Die Zelle ist folglich dem ausgeliefert, was wir Zufall nennen. Theoretisch wäre jedoch berechenbar, wann welcher Impuls kommt, wenn man denn alle Variablen der ganzen Welt schon kennen würde und alle Informationsflüsse schnell genug berechnen könnte. Da das in der Praxis allerdings nicht möglich ist, kannst du behaupten, mein Neuron sei frei, auf Impulse zu reagieren oder nicht.

Okay, das Neuron muss nicht frei sein, es ist aber Teil meines Gehirns. Meines, verstehst du, Hull? Da ist einer, eine Person, ein Besitzer der Milliarden Neurone, eine freie Person, die ihren Geist nutzt und dem Gehirn sagt, wie es zu funktionieren hat.

Echt jetzt?

Hinterlasse einen Kommentar