Möge die Pacht mit dir sein

Hier ist es, Leute. Das ist euer neues Zuhause.

Hull, Luca und Lisa liessen ihre Blicke durch den grosszügigen Raum wandern. Von der Fensterfront sah man über die Stadt, wahrscheinlich befand man sich irgendwo zwischen dem zwölften und siebzehnten Stock eines hübschen Bürohochhauses.

Und Sie, Tom, Sie sind der neue Hausmeister? fragte Lisa.

Tom lachte: Ich dachte mir schon, dass ihr keine Ahnung habt. Aber ihr werdet euch hier zurecht finden. Schliesslich habt ihr seinerzeit das Casting gewonnen und das will was heissen. Allerdings war eure Performance, offen gestanden, bisher eher – nichts. Das Projekt stand auf der Kippe, vor allem am Anfang, meine Güte war das alles peinlich… aber ich konnte den Vorstand überzeugen, euch noch eine Chance zu geben und eine zweite Staffel mit euch zu starten. Ihr müsst allerdings jetzt wirklich diese Challenge annehmen, eure Performance muss echter, dynamischer, leidenschaftlicher werden, ihr müsst euch zu diesem einmaligen Projekt ohne Wenn und Aber comitten.

Comitten…? Luca bohrte in der Nase.

Lisa schaute aus dem Fenster und Hull trat an den neuen Schreibtisch, streichelte über die saubere Oberfläche und begann seine Spielkarten und Würfel aufzutürmen.

Tom seufzte, kratzte sich hinterm Ohr und machte kehrt.

Halt, Tom, wann gibt’s denn hier Lunch? Aber der war schon weg.

Hull startete den PC. Ein Passwort wurde verlangt und somit war hier vorläufig Endstation.

Nun, sagte er lächelnd. Schön dass wir all diese neuen Requisiten bekommen haben. Sieht alles ein bisschen professioneller aus, nicht wahr? Nicht mehr so hausbacken. Habt ihr gehört ihr beiden, jetzt müssen wir aber auch liefern.

Liefern. Aber was denn, Hull? Ich sehe hier nur dieses Schild „Coworking Space“, das sagt mir jetzt nicht viel. Vielleicht sind nebenan noch andere Teams am Start? Muss ich das so verstehen? Soll ich mal schauen?

Nein, Lisa, bleib hier. Wir brauchen jetzt wirklich jeden Mann.

Ich bin eine Frau.

Egal. Wir starten heute die zweite, äh, Staffel. Und diesmal will ich von Anfang an Leistung sehen.

Hull. Luca sah seiner Schwester nach, als sie das Grossraumbüro verliess.

Was denn.

Was genau meinte dieser Clown vorhin mit dieser zweiten Staffel?

Na, eben, Luca, wir kriegen eine zweite Chance. Das ist doch grossartig. Obwohl wir’s nicht verdient haben, sieht dieser Tom in uns doch ein gewisses Potenzial.

Und wer soll das sein? Tom sagt mir nichts, ich meine, so heisst doch jeder. Ich habe den heute zum ersten Mal gesehen.

Hm, wahrscheinlich haben die unsere Gedächtnisse gelöscht, damit wir ungestörter arbeiten können. Vielleicht ist das ja ganz praktisch. Ein Neuanfang ohne Ballast. So kann man, so muss man das sehen. Oder kannst du dich an eine, ähm, erste Staffel erinnern?

Ohne Gedächtnis? Und wie mir scheint auch ohne Plan, was die Zukunft betrifft. Aber Hull, das ist es! Das ist es! Das ist genau der mentale Zustand, den alle immer schon angestrebt haben. Wir haben’s mühelos geschafft!

Wie, was jetzt…?

Hull. Wir leben jetzt und hier im Hier und Jetzt. Und zwar ausschliesslich. Fantastisch! Alle reden nur immer davon – wir sind angekommen, ohne jahrelange Meditationsübungen, einfach so. Wahrscheinlich weil wir so gut, äh, comitten, oder wie hiess das?

Lisa kam wieder rein: Leute, auf der anderen Seite des Korridors ist eine Yogaschule, die nennt sich Om Shanti. Da hängen ein paar Yuppies in Yogaklamotten zu Yogamusik auf Yogamatten ab. Echt öde.

Aber ja, Schwesterherz, jetzt erinnere ich mich wieder. Tom ist doch der angesagte Yogalehrer, dessen Kurse im Fernsehen die Einschaltquoten zum Glühen bringen.

Nicht nur die Einschaltquoten.

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